Ich schreibe Ihnen diesen Brief, weil ich Ihnen
meine Gedanken zur Situation zwischen David und Ihnen mitteilen möchte. Das
Erpressen eines anderen Menschen finde ich grundsätzlich unrechtmässig und unverständlich,
egal unter welchen Bedingungen. Trotzdem kann ich teilweise verstehen, dass Sie
bei dieser Ausgangslange diesen Weg wählten, damit Sie Ihre schlechte Situation
im Männerheim verbessern konnten. Ich finde es frech, ja respektlos, dass David
diesen persönlichen Abschiedsbrief Peter Weilands, also dieses Buch,
veröffentlichte. Ich kann es überhaupt nicht verstehen, wieso er nicht einfach
ehrlich sein konnte. Sie hatte das bestimmt auch getroffen. Durch Ihre
Erpressung ist David nicht einfach reibungslos mit seiner Lüge durchgekommen,
das finde ich eigentlich ganz richtig so, denn sonst hätte er diese vielleicht
sogar einfach und erfolgreich verdrängen können. Ich finde auch, dass es Ihnen
eher zusteht, durch das Buch Geld zu verdienen, denn es war Ihr engstehender
Freund und nicht derjenige Davids. Sie hätten aber sicher auch eine moralisch
korrektere Lösung finden können, um Recht in dieses Unrecht zu bringen. War es
für sie wirklich richtig so oder hatten Sie nicht auch manchmal Gewissensbisse?
... vielleicht ihrem Freund Peter oder auch Marie gegenüber? Finden Sie nicht,
es wäre besser gewesen, den Leuten die Wahrheit zu erzählen? Und, um es auf der
banalen Ebene anzusehen, glauben sie nicht auch, dass Sie mit dieser Geschichte
mehr im Rampenlicht hätten stehen können? Mich beschäftigt ihr Handeln. Ich
sehe die Beweggründe, und trotzdem kann ich mich nicht ganz damit abfinden,
dass Menschen nur dem Geld zuliebe so unehrlich handeln. Da sind Sie nur ein
Beispiel. Ich glaube von mir behaupten zu können, dass ich „besser“ gehandelt
hätte. Anstelle einer Erpressung, hätte ich David zunächst ebenfalls
konfrontiert, jedoch dann, nach dem Offenlegen aller Tatsachen und meiner
Betroffenheit über Davids Betrug, gemeinsam mit David eine bestmögliche Lösung
gesucht, welche für alle Beteiligten, auch für die Verstorbenen, angepasst
wäre. Mein Bestreben wäre es gewesen,
die Wahrheit ans Licht zu bringen. Die verrückte Geschichte, welche hier das
Leben schrieb, ist ja bereits wieder eines Buches würdig, welches der wirkliche
Erstling von David werden könnte. Dadurch käme die Wahrheit ans Licht.
Sie wirken auf mich sehr gefitzt und irgendwie,
aus unerklärlichen Gründen, sind Sie die einzige Figur in diesem ganzen Roman,
welche mir noch ein wenig sympathisch ist. Wenn ich das ganze einmal aus Ihrer
Sicht anzuschauen versuche, denke ich, dass sie einfach die Gelegenheit nutzten,
in Ihre alten Tage noch etwas Schwung zu bringen. Das gefällt mir. Ich meine
die Chance auf ein besseres Leben stand direkt vor Ihrer Tür und Sie haben sie
einfach genutzt, ohne sich irgendwelche moralischen Gedanken dazu zu machen. Ich
kann mir auch vorstellen, dass es Ihnen eigentlich ziemlich egal war, wie es
den anderen ging, Hauptsache Sie mussten nicht mehr in dieses muffige, hustende
Männerheim zurück. Es wirkt zumindest so auf mich. Vielleicht hatten Sie sich auch
im Verlaufe Ihres Lebens einfach abgehärtet, durch irgendwelche Idioten, die
auch einfach in Ihrem Leben rumgetrampelt sind. Aber wie gesagt, finde ich diese
Erpressung nicht richtig.
Ich habe mir viele Gedanken über Ihre
Hintergründe und Ihr Handeln gemacht und glaube auch, Sie richtig zu verstehen,
aber ich frage Sie jetzt trotzdem:
Würden Sie diesen Weg wieder wählen?
Herzlichen Dank und mit freundlichen Grüssen
Romina
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